eurocom rief mit Guildo Horn zum politischen Dialog

Mehr Lebensqualität durch medizinische Hilfsmittel. So die Quintessenz der Allensbach-Patientenbefragung 2019. Doch was folgt daraus für die Akteure im Gesundheitswesen? Das war Gegenstand der Diskussionsrunde, die eurocom am 6. November in der Kalkscheune Berlin für Abgeordnete, Mitarbeiter aus den Ministerien, Vertreter der Krankenkassen und der Branchenverbände sowie für die eigenen Mitglieder veranstaltete. Moderiert von Dr. Albrecht Kloepfer und mit prominenter Unterstützung. Dass die Person Guildo Horn und sein Bandname Die Orthopädischen Strümpfe nicht nur zufällig und lustigerweise vereinen, was eurocom ausmacht – Europa, orthopädische Hilfsmittel, Kompressionsstrümpfe –, zeigte sich auf dem hochkarätig und heterogen besetzten Podium.

„In Anbetracht der Vielfalt der hier versammelten, teils konkurrierenden Meinungen wird mir um den Wert unseres heutigen Dialogs nicht bang“, begrüßte eurocom-Vorsitzender Jürgen Gold die Gäste, allen voran die Podiumsteilnehmer Dr. Thomas Gebhart, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Gesundheit, Gernot Kiefer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender GKV-Spitzenverband, Prof. Dr. Wolf Petersen, Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Martin-Luther-Krankenhaus Berlin, Impulsgeber Michael Sommer vom Institut für Demoskopie Allensbach, Mitgastgeberin Oda Hagemeier, Geschäftsführerin eurocom sowie Musiker und Diplompädagoge Guildo Horn. „Denn“, so Gold, „die Vielfalt der hier versammelten Köpfe bildet paradigmatisch die Vielfalt der Kompetenzen ab, die wir bündeln, um eine Hilfsmittelversorgung sicherzustellen, die durch hohen Nutzen besticht und zur individuellen Therapiesituation des jeweiligen Patienten passt. Das gilt für uns Entwickler ebenso wie für Politik, Sozialversicherung und Medizin.“ Indirekt kam dabei auch die Perspektive der Betroffenen zur Sprache, denn – was manch eine*r nicht weiß: Guildo Horn setzt sich seit langem für eine barrierefreie Gesellschaft ein. Was mit einem Erweckungserlebnis während seiner damaligen Berufstätigkeit als Betreuer in einer Werkstatt für behinderte Menschen begann, mündete in einem dauerhaften Engagement des „Barrierecheckers“. Das beschreibt der Künstler so: „Beeindruckend war es zu sehen, wie ein Mitarbeiter der Werkstatt mit Prothesen und durch tägliches gemeinsames Üben buchstäblich wieder auf die Beine kam. Der Rollenwechsel, die Perspektive des Betroffenen einzunehmen, ist wichtig und macht außerdem Spaß, denn das Leben ist Vielfalt. Schlussendlich geht es dabei um die Frage: Was hilft dem Menschen wirklich? Und dass Orthesen helfen, weiß ich aus eigener schmerzhafter Erfahrung auf der Bühne.“

Medikamente reduzieren, Operationen vermeiden, Mobilität gewinnen

Zum Hintergrund: Wie sehr und auf welche Weise profitieren Menschen mit unterschiedlichen Beschwerden von medizinischen Hilfsmitteln und was folgt daraus? Das wollte eurocom wissen und beauftragte das Institut für Demoskopie Allensbach mit einer repräsentativen Umfrage. Insgesamt wurden 1.300 Menschen, die medizinische Hilfsmittel nutzen, befragt. Fazit: Sie benötigen nach eigenen Angaben weniger Medikamente, können operative Eingriffe oft vermeiden, sind mobiler und gewinnen dadurch an Lebensqualität. Mit anderen Worten: Medizinische Hilfsmittel haben eine hohe Relevanz – sowohl für den einzelnen Betroffenen als auch für das gesamte Gesundheitssystem. Millionen von Menschen sind hierzulande auf medizinische Hilfsmittel angewiesen, denn Erkrankungen des Bewegungsapparates und Venenerkrankungen, an denen sie leiden, zählen zu den Volkskrankheiten. Aktuell 13 Prozent der deutschen Bevölkerung ab 16 Jahren tragen Bandagen und Orthesen, das sind rund 7,8 Millionen Menschen. Fünf Millionen Menschen nutzen Kompressionsstrümpfe, und 12 Millionen Menschen tragen orthopädische Schuheinlagen. Und das mit großer Zufriedenheit. Hilfsmittel stellen eine echte Alternative zu Medikamenten dar und helfen den Betroffenen, wieder mobil zu werden. Eine höhere Mobilität bestätigten 61 Prozent der Kompressionsstrumpfträger, 69 Prozent der Schuheinlagennutzer und 71 Prozent der Träger von Bandagen oder Orthesen. Michael Sommer vom Allensbach-Institut und Projektleiter der Befragung dazu: „Das ist die Quintessenz der Umfrageergebnisse: Eine überwältigende Mehrheit, nämlich rund 80 Prozent und zwar über alle Patientengruppen hinweg, sagt, den Alltag wieder besser bewältigen zu können und Lebensqualität zurückgewonnen zu haben. Mehr kann man von einem Hilfsmittel nicht erwarten.“

Hilfsmittel müssen schneller zum Patienten kommen

Der hohe Zufriedenheitsgrad der Hilfsmittelnutzer und ihr Plädoyer für gute Qualität bestätigt den Kurs, den der Gesetzgeber mit dem Heil- und Hilfsmittel-Versorgungsgesetz (HHVG) eingeschlagen und mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) umgesetzt hat. Dr. Thomas Gebhart, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Gesundheit, erklärt dazu: „Zwar ist die Digitalisierung im Gesundheitswesen derzeit ein politisches Großthema, aber auch Hilfsmittel spielen eine große Rolle. Mit dem TSVG haben wir die Ausschreibungsoption für Hilfsmittel beseitigt. Das wird erhebliche Wirkung entfalten.“ Gernot Kiefer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes, unterstreicht: „Wir stellen die Qualität der Hilfsmittelversorgung sicher, damit jeder Versicherte, jede Versicherte das passende Hilfsmittel zum richtigen Zeitpunkt erhalten kann – das ist bedarfsgerechte Versorgung. Durch eine regelmäßige und anlassbedingte Fortschreibung der Produktgruppen wird das Hilfsmittelverzeichnis kontinuierlich weiterentwickelt.“ Was aber, wenn die Spielregeln für die Antragstellung zur Aufnahme neuer Produkte ins Hilfsmittelverzeichnis unklar sind? Dieser Aspekt ist aufgrund der steuernden Funktion des Verzeichnisses von großer Bedeutung. Das betont eurocom-Geschäftsführerin Oda Hagemeier und schlägt vor: „Um sicherzustellen, dass Hilfsmittel schneller zum Patienten kommen, ist ein Beratungsgespräch zwischen dem Antragsteller und dem GKV-Spitzenverband – vor der Antragstellung – unabdingbar, Dafür muss ein, gegebenenfalls gesetzlicher Rahmen geschaffen werden. Denn nur so schaffen wir Transparenz und planbare Prozesse.“  Mit Blick auf das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) wünscht sich Hagemeier, dass die Politik mit gleichem Engagement, wie sie aktuell die Innovationskraft der Digitalisierung fördere, auch die Hilfsmittel unterstütze.

Konservativ versus operativ?

Was bedeutet die Erkenntnis, das Hilfsmittel Schmerzen reduzieren und Operationen – inklusive der mit ihnen einhergehenden Risiken – vermeidbar machen, für die Medizin? Sollte weniger operiert werden? Brauchen wir ein „Revival“ der Technischen Orthopädie? „Jede Strategie, die Operationen vermeiden kann, ist eine gute Strategie“, betont Prof. Dr. Wolf Petersen, Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Martin-Luther-Krankenhaus Berlin. „Die Konservative Therapie gewinnt an Bedeutung, kommt bislang aber vor allem dann zum Einsatz, wenn es darum geht, eine Therapie abzusichern. Es besteht Nachholbedarf, vor allem in der Ausbildung.“ Die Ursache liegt für den Chirurgen auf der Hand: Die Lehre wird hauptsächlich von operativ tätigen Kliniken gestaltet. Ein Thema, verschiedene Blickwinkel, die verdeutlichen: Zum Wohle des Patienten kann in der Hilfsmittelversorgung noch einiges verbessert werden. Und es ist gut, dazu im Gespräch zu bleiben. Nur eines bleibt wohl Utopie: Horn-Konzerte auf Rezept. Auch wenn Guildo weiß: „Nach einem Konzert geht’s einem immer gut, man ist sozusagen geheilt.“

Über eurocom

eurocom ist die Herstellervereinigung für Kompressionstherapie und orthopädische Hilfsmittel. Der Verband versteht sich als Gestalter und Dialogpartner auf dem Gesundheitsmarkt und setzt sich dafür ein, das Wissen um den medizinischen Nutzen, die Wirksamkeit und die Kosteneffizienz von Kompressionstherapie und orthopädischen Hilfsmitteln zu verbreiten. Zudem entwickelt eurocom Konzepte, wie sich die Hilfsmittelversorgung aktuell und in Zukunft sicherstellen lässt. Dem Verband gehören nahezu alle im deutschen Markt operierenden europäischen Unternehmen aus den Bereichen Kompressionstherapie und orthopädische Hilfsmittel an.