Klare Verfahrensordnung ist Basis für innovative Entwicklung des Hilfsmittelverzeichnisses

Das Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG) ist mit der Verkündigung im Bundesgesetzblatt am 10. April 2017 überwiegend in Kraft getreten. Nun geht es an die Umsetzung. eurocom fordert Verbindlichkeit und Rechtsklarheit der Verfahrensordnung zur Weiterentwicklung des Hilfsmittelverzeichnisses unter frühzeitiger Einbindung der Hilfsmittelhersteller.

Patienten müssen die Hilfsmittelversorgung erhalten, die für sie individuell erforderlich ist und auf dem neuesten Stand der Medizintechnik einen Krankheits- oder Behinderungsausgleich möglich macht. Dieses für den Industrieverband eurocom wesentliche Ziel des nun überwiegend in Kraft getretenen HHVG liegt seinem grundsätzlichen Ansatz einer Qualitätsoffensive auch zugrunde und findet in den Regelungen Eingang, insbesondere darin, dass die regelmäßige Aktualisierung des Hilfsmittelverzeichnisses als Auftrag formuliert wird. eurocom-Geschäftsführer Dr. Ernst Pohlen dazu: „Die aktuelle Version des Hilfsmittelverzeichnisses ist in vielen Teilen veraltet und entspricht weder dem aktuellen Stand der Technik noch dem der Medizin. Die absehbaren technologischen Entwicklungen müssen eine Chance zu einer Abbildung der Produkte in das Verzeichnis finden. Eine grundsätzliche Aktualisierung verbunden mit einer regelmäßigen, an die Bedürfnisse der Patienten und die Innovationszyklen der Hersteller angepassten Fortschreibung ist daher ausdrücklich zu begrüßen. Die Vorgabe von Umsetzungsfristen stellt dabei die Umsetzung des parlamentarischen Willens sicher.“ Die Tücke steckt jedoch im Detail, nämlich dort, wo der Gesetzestext Stolpersteine für Innovation und Qualität legt. Umso mehr kommt es darauf an, eine Verfahrensordnung mit Richtliniencharakter zu formulieren und umzusetzen, die die Beteiligung der Industrie als maßgeblichem Innovationsmotor am Fortschreibungsprozess des Hilfsmittelverzeichnisses sichert.

Verfahrensordnung muss Innovation im Hilfsmittelverzeichnis sichern

Der GKV-Spitzenverband ist verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2017 eine Verfahrensordnung zur Weiterentwicklung des Hilfsmittelverzeichnisses zu beschließen. „Dass die maßgeblichen Verbände der Hilfsmittelhersteller in diesen Prozess eingebunden werden und damit eine unserer zentralen Forderungen umgesetzt worden ist, ist ein echter Fortschritt. Denn erst die Einbindung der Hersteller in diesen Prozess ermöglicht es, dass aktuelle technologische Entwicklungen sowie das entsprechende Know-how im Hilfsmittelverzeichnis berücksichtigt werden“, so Pohlen. „Zudem muss eine solche Verfahrensordnung sicherstellen, dass innovative Produkte künftig zeitnah Eingang in das Hilfsmittelverzeichnis finden. Grundlegend dafür sind klare Rahmenbedingungen eines Stellungnahme-Verfahrens, das seinen Namen auch verdient.“

Beschleunigung des Antragsverfahrens dringend erforderlich

Der gesetzliche Auftrag zur fortlaufenden Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses schafft zwar die allgemeine Voraussetzung für Aktualität, schließt aber lange Wartezeiten für die Aufnahme eines neuen Hilfsmittels nicht grundsätzlich aus. Eine Innovationsbremse etwa stellt das Erfordernis dar, den Gemeinsamen Bundesausschuss bei der Bewertung von Hilfsmitteln im Rahmen neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden einzuschalten. Pohlen dazu: „Dass das Parlament der von uns gewünschten Beschleunigung des Antragsverfahrens insofern gefolgt ist, als die Auskunft des G-BA an eine Frist gebunden wird, ist ein erster Ansatz. Damit unnötige Verzögerungen erst gar nicht entstehen, ist es umso wichtiger, dass die Definition von neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Hilfsmittelbereich integraler Bestandteil der Verfahrensordnung ist.“

Im Falle einer Nichtaufnahme eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis wäre aus Sicht von eurocom die Einrichtung einer Schiedsstelle eine Lösung im Sinne der zeitgemäßen Patientenversorgung gewesen. Leider ist der Gesetzgeber diesem Vorschlag nicht gefolgt. Die Folge ist, dass Hilfsmittelherstellern bei einem abschlägigen Aufnahmeantrag nur der Gang zum Sozialgericht bleibt – und die Listung eines innovativen Hilfsmittels sich über Jahre verzögern kann.

Rundumnachweise bei Mehrfachindikationen behindern bessere Patientenversorgung

Bedenklich sind die Passagen des HHVG zu sehen, wonach Hersteller künftig Wirkungsnachweise für sämtliche Indikationen, für die ein Hilfsmittel eingesetzt werden kann, vorlegen müssen. „Diese Regelung geht an der Praxis vorbei. Sie ist schlichtweg nicht umsetzbar, allein schon aufgrund der Schwierigkeit, genügend Patienten für entsprechende Studien zu bekommen und diese mit Kliniken durchführen zu können“, so Pohlen. Dazu zwei Beispiele: Für die Anmeldung einer Knieorthese mit insgesamt 13 gelisteten Indikationen in der entsprechenden Produktart würde die Regelung bedeuten, dass nur für dieses eine Produkt rund 130 Patienten für insgesamt 13 Anwendungsbeobachtungen bzw. klinische Bewertungen zur Verfügung stehen müssen. Vor dem Hintergrund, dass in dieser Produktart bislang 64 Orthesen gelistet sind, erhöht sich die Anzahl der zu rekrutierenden Patienten insgesamt auf rund 8.400. Das sind angesichts einer Verordnungszahl von ca. 80.000 funktionellen Knieorthesen deutschlandweit pro Jahr 10 Prozent der Patienten, die dann in entsprechende Anwendungsbeobachtungen einbezogen werden müssten.

Für den Einlagenbereich würde diese Regelung bedeuten, dass für den Bereich der Sondereinlagen keine ausreichende Anzahl indikationsbezogener Anwendungsbeobachtungen durchgeführt werden könnte. Der Innovationsfortschritt im Einlagenbereich würde damit grundsätzlich blockiert.

Da einzelne Indikationen zudem in unterschiedlicher Häufigkeit auftreten, wird die Rekrutierung insbesondere für weniger häufig auftretende Indikationen erschwert. „Das birgt das Risiko, dass bestimmte Indikationen nicht mehr mit Hilfsmitteln abgedeckt werden könnten. Die Zielsetzung des Gesetzes, eine bessere Patientenversorgung zu ermöglichen, wird damit ad absurdum geführt“, bilanziert Pohlen.

 

eurocom

eurocom ist die Herstellervereinigung für Kompressionstherapie und orthopädische Hilfsmittel. Der Verband versteht sich als Gestalter und Dialogpartner auf dem Gesundheitsmarkt und setzt sich dafür ein, das Wissen um den medizinischen Nutzen, die Wirksamkeit und die Kosteneffizienz von Kompressionstherapie und orthopädischen Hilfsmitteln zu verbreiten. Zudem entwickelt eurocom Konzepte, wie sich die Hilfsmittelversorgung aktuell und in Zukunft sicherstellen lässt. Dem Verband gehören nahezu alle im deutschen Markt operierenden europäischen Unternehmen aus den Bereichen Kompressionstherapie und orthopädische Hilfsmittel an.

Pressekontakt

Antje Schneider, eurocom – european manufacturers federation for compression therapy and orthopaedic devices, Postfach 10 05 08, D – 52305 Düren, Fon: +49 (0) 24 21/95 26 52, Fax: +49 (0) 24 21/95 26 64, Mail: antje.schneider@eurocom-info.de, www.eurocom-info.de